Wie ein Schlag ins Kontor war der Shutdown im März für die Lebenshilfe Eichsfeld. Für die zwei angestellten Mitarbeiter und die bis zu 120 Ehrenamtlichen, auf die der Verein zurückgreifen kann, brach der normale Alltag weg.
Wegen der Corona-Pandemie konnten keine Veranstaltungen in der Begegnungsstätte in Duderstadt angeboten werden. Noch schlimmer war das Herunterfahren für die Schützlinge, die die Lebenshilfe betreut: Besonders für Menschen mit Beeinträchtigung bedeutete das einen merklichen Einschnitt in ihrer Teilhabe am sozialen Leben, heißt es rückwirkend in einer Mitteilung der Lebenshilfe.
Damit der Kontakt zu diesen Menschen dennoch nicht verloren geht, hatte Jeannette Rheinländer, die bei der Lebenshilfe für Behindertenarbeit und Koordinatorin der Freizeitaktivitäten zuständig ist, eine Idee. Eine bunte Raupe, hergestellt aus Filz, erhielten alle Bewohner der beiden Häuser und alle, die zu Hause oder in einer eigenen Wohnung leben und an den Aktivitäten der Lebenshilfe teilnehmen. „Wir möchten damit zum Ausdruck bringen, dass wir an unsere Menschen mit Beeinträchtigungen denken, sie vermissen und ihnen Mut machen wollen, dass sie wieder willkommen sind, sobald wir wieder gemeinsam spielen, basteln und plaudern dürfen“, erklärt Rheinländer die symbolische Geste.
„Auch für die Bewohnerinnen und Bewohner im Haus der Lebenshilfe am Kutschenberg, dem benachbarten Wohnhaus der Harz-Weser-Werke Osterode sowie für die Betreuungskräfte ist die Corona-Krise ein außergewöhnlicher Kraftakt“, betont Martin Vollmer, Erster Vorsitzender der Lebenshilfe Eichsfeld. Bis vor Kurzem haben die Bewohner des Wohnhauses der Harz-Weser-Werke aus Hygienegründen die Grundstücke nicht verlassen dürfen und keine Angehörigen in den Häusern empfangen können. Eine Einschränkung, die in der Pflege und Betreuung dieser Menschen mitunter bis an die Grenzen der Belastbarkeit geführt habe, versichert Vollmer.
Zum einen mussten diese Menschen über Monate zu Hause bleiben. Es gab für sie keinen sonst üblichen, geregelten Tagesablauf, keine Abwechslung, keinen Input. Zum anderen müssen viele Menschen mit Behinderung betreut werden, rund um die Uhr. Mit dieser Feststellung macht Vollmer auf die Familienangehörigen aufmerksam, die sich dieser Aufgabe widmen mussten und großteils weiter widmen müssen, letztlich ohne Entlastung, wie sie die Lebenshilfe anbietet.
Zwar hat es jetzt einige Lockerungen gegeben: Das Betretungsverbot für Behinderten-Werkstätten ist, nach einer ersten vorsichtigen Lockerung im Juni, aufgehoben worden. Die Aktivitäten und Angebote der Lebenshilfe allerdings bleiben weiterhin ausgesetzt. Dazu gehören der Freizeitclub, der Stammtisch, die Musik- und die Theatergruppe sowie der Elterntreff. Voraussichtlich bis zum Ende des Jahres geht nichts. Warum das und warum so lange? Mit Abstand wäre doch einiges möglich: „Unser Fahrdienst wird ehrenamtlich abgedeckt. Viele der Fahrer sind im Rentenalter. Wir wollen sie nicht der Gefahr einer Ansteckung mit Covid-19 aussetzen, wenn sie in den vollbesetzten Fahrzeugen sitzen. Und von allein können die von uns betreuten Menschen nicht zu den Angeboten kommen“, erläutert Vollmer die Lage.
So musste auch die im Mai geplante Wochenendfahrt, die für alle Teilnehmer ein besonderes Ereignis und für einige Menschen mit Beeinträchtigung der einzige Urlaub im Jahr sei, abgesagt und auf das kommende Jahr verschoben werden, heißt es von Vereinsseite. Abgesagt ist aus Gründen der Hygiene- und Abstandsregelungen auch der traditionelle Adventsbasar der Lebenshilfe in der Begegnungsstätte am 14. und 15. November. „Es hilf nichts, wir müssen erst einmal abwarten“, hält Vollmer fest.
Die Lebenshilfe unterhält neben einer Begegnungsstätte auch ein Wohnhaus mit elf Wohnungen, die an Personen mit Beeinträchtigungen vermietet sind. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich ein Wohnhaus der Harz-Weser-Werke gGmbH mit 24 Wohnheimplätzen. Die Lebenshilfe bietet Menschen mit Behinderung vor allem Angebote im Freizeitbereich an.
(Quelle: Ulrich Meinhard, Eichfelder Tageblatt vom 18.07.2020)